Tonia Kudrass
Ausstellungsprojekte
,»Der süße Brei« – das bekannte Märchen der Gebrüder Grimm gab das Stichwort für eine Installation im Altonaer Museums in Hamburg. Für das Kunstprojekt »Frische Bezüge«, dass sie 1995 zusammen mit drei Künstlerinnen entwickelte, ließ Tonia Kudrass eine ausrangierte Industrie-Strickmachine im Treppenhaus des Museums zwei Monate lang einen roten Wollschal produzieren, der sich mit der Ausstellungszeit – und zunehmender Masse – die Stufen herunterbewegte.
► Installation im Treppenhaus des Altonaer Museum in Hamburg.
Material: Strickmaschine, Wolle; Länge Wollschal: ca. 50 m
Frische Bezüge im Altonaer Museum
,Die vier Künstlerinnen Ulrike Andresen, Sabine Dibbern, Tonia Kudrass und Annette Venebrügge schlugen dem Altonaer Museum Anfang 1995 ein Ausstellungsprojekt vor: Unter dem mehrsinnigen Ausstellungstitel »Frische Bezüge« wollten sie Teile der kulturhistorischen Sammlungen dieses Museums zum Ausgangspunkt und gleichzeitig Gegenstand konzeptionell-künstlerischer Interventionen werden lassen – einen Ansatz, den sie beim Nachfolgeprojekt »Überland« dann konsequent auf drei Schleswig-Holsteiner Landes- bzw. Regionalmuseen übertrugen. Nachdem das Projekt seitens des Musems und seiner Leiterin Bärbel Hedinger positiv beschieden war, begannen die Künstlerinnen ihre Umgestaltungsarbeit. Drei Sammlungsräume sowie das obere Treppenhaus des Museums wurden von ihnen neu inszeniert, so dass aus dem Altonaer Museum während der zweimonatigen Ausstellungszeit zugleich ein kleines Museum zeitgenössischer Kunst wurde.
Roter Teppich oder Ariadne-Faden?
,Tonia Kudrass hatte ihre Arbeit im Museumstreppenhaus eingerichtet, im ersten Stock des zu Beginn des Jahrhunderts errichteten alten Teils des Museumsgebäudes, der noch etwas von der Pracht des Ursprungsbaus atmet. Unter dem Titel „Der süße Brei” hatte die Künstlerin auf dem oberen Trepppenabsatz eine Industriestrickmaschine installiert und ließ von technischer Hand eine schmale rote SchalBahn wirken, die sich während der Laufzeit der Ausstellung allmählich die Treppen hinunterschob. Die Selbsttätigkeit der Maschine erinnerte kulturhistorisch an den technischen Umbruch im Textilgewerbe, als man in den 1860er Jahren von der Hand auf die Maschinenproduktion umstellte. Parabelhaft brachte die ohne Unterlaß produzierende Maschine über ihren Titel auch das Grimmsche Märchen „Der süße Brei” in Erinnerung. Hier droht bekanntlich der immerfort aus dem Topf quellende Brei, Haus, Stadt und schließlich das ganze Land zu ersticken, bevor ihm durch ein Zauberwort aus Kindermund Einhalt geboten werden kann. Mit dieser Strickmaschine, die einen endlosen roten Faden auslegt, spielte Tonia Kudrass historisch wie poetisch auf die Museumssammlungen an und verwies nicht zuletzt darauf, daß jedes Museum auch einen Leit- und Ariadnefaden braucht, der die Besucher durch die Sammlungen geleitet. Als roter Teppich angesehen, stand das textile Maschinenprodukt schließlich emblematisch allgemein für den Kultur und Hoheitsraum Museum, mit dem die Künstlerin spielerisch kritisch umgegangen ist. (Text: Bärbel Hedinger)
»Der süße Brei«
»Der süße Brei«
»Der süße Brei«
»Der süße Brei«
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Tonia Kudrass
geb. 1943 in Neustadt, Schlesien. Lebt und arbeitet in Hamburg
1971: Freie Kunst bei P. Dreher in Freiburg
1973: Freie Kunst HdK Berlin bei R. Girke
1974 - 78: HfBK Hamburg bei G. Graubner
1978: DAAD Stipendium (Spanien)
1983: Arbeitsstipendium der Stadt Hamburg
1984: Lichtwark-Preis Stipendium